Dienstag, 27. Februar 2018

DER TERRORIST ALS GESETZGEBER........!!!


Wie man mit Angst
Politik macht

Ketzer, Hexen,
Terroristen
Der Guerillero besetzt das Land, der Terrorist besetzt
das Denken. Der Terrorist okkupiert die Schaltzentralen
der Legislative und der Exekutive, er verseucht den
Geist der Gesetze und verdirbt das Vertrauen in den
Rechtsstaat. Die islamistischen Terroristen haben mit
ihren Attentaten die Parlamente der demokratischen
Staaten dazu getrieben, Grundrechte einzuschränken,
sie haben deren Sicherheitsorgane dazu verleitet, jenseits
der Legalität zu operieren; sie haben die Rechtsstaaten
dazu gebracht, ihre Prinzipien in Frage zu stellen.
Überall in den Ländern der westlichen Welt, in
Washington, London, Paris und Berlin, werden vergiftete
Paragraphen und Gesetzesartikel produziert, werden
rechtsstaatliche Grundsätze geopfert, wird die Privatsphäre
der Bürger missachtet. Die Terroristen sind
zwar nicht, wie nach dem 11. September 2001 befürch-
tet, in Atomkraftwerke und Wasserversorgungsanlagen
eingedrungen, nicht dort haben sie Unheil angerichtet.
Sie haben es auf andere, subtil-gefährliche Weise getan.
Sie nehmen beherrschenden Einfluss auf die Apparate
und Brain-Trusts, in denen das Recht produziert wird,
sie verändern die Sicherheitsarchitektur grundlegend,
sie verkürzen die Freiheitsrechte, sie entwerten das
klassische Strafrecht. Die Angst vor dem Terrorismus
hat die westlichen Staaten zu Reaktionen getrieben, vor
denen man Angst haben muss.
In ihrer Not reagieren die Rechtsstaaten auf den realen
Terrorismus so, wie die Staaten des Mittelalters und
der frühen Neuzeit auf die irreale Hexerei reagiert haben.
Die Hexe oder der Hexenmeister, so war seinerzeit
die Vorstellung, hatten nur den Willen, die Schöpfung
und die Gesellschaft zu schädigen, und zu diesem
Zweck hätten die Hexenleute einen Pakt mit dem Teufel
geschlossen. Sie waren also strafwürdig, auch wenn
sie noch keinen Schaden angerichtet hatten. Man konnte
ja nicht bis zur Ausführung ihrer vernichtenden Plä-
ne warten, sondern musste sie als gefährliche Subjekte
möglichst früh unschädlich machen – zur Sicherheit der
Gesellschaft und zur Abwehr von Gefahren.
Der Bielefelder Rechtshistoriker Wolfgang Schild
weist in seinen Arbeiten auf Parallelen zwischen den
Hexenleuten (wie auch den früheren Ketzern) und den
heutigen Terroristen hin. Das gilt natürlich nicht für die
Wirklichkeit der Gefahr, sehr wohl aber für die Reaktion
von Staat und Gesellschaft. Im Ketzer- wie im Hexereiverfahren
wurden Sondervorschriften eingeführt:
geringere Verdachtsgründe als sonst reichten zur Folterung
aus, übel beleumundete Personen waren als Zeugen
zugelassen, den Gerichten waren auch Denunzianten
recht, und die Verteidigungsmöglichkeiten waren
beschränkter als sonst – es handelte sich um schnelle,
summarische Verfahren, die eher polizeilichen, also
vorbeugenden, nicht strafrechtlichen Charakter hatten.
Unter der Herrschaft des Terrorismus verändert sich
das aufgeklärte Strafrecht in fundamentaler Weise. Um
Terroristen auf die Spur zu kommen (die ja, wie einst
die Ketzer, unauffällig als »Schläfer« unter der Bevölkerung
leben), wird die Gesamtbevölkerung subtil ausgeforscht
– mit Abhöraktionen, mit Überwachungs und
Datenspeicherungsmaßnahmen, mit der Kontrolle
der Bankkonten, mit ausgeklügelten Kontrollarrangements
und Datensammlungen, bei denen Geheimdienste
und Polizei kooperieren und die darauf zielen, Mobilität
und Informationsverhalten der Bürger kontrollieren
zu können. Es wird national und international eine Infrastruktur
der Überwachung etabliert.
Mit sogenannten Terrorlisten haben die Staaten ein
Sanktionssystem jenseits des Rechts geschaffen; wer in
diesen Listen geführt wird, dessen materielle Existenz
ist bedroht: Sein Vermögen wird eingefroren, seine
Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Gelisteten müssen
ihre Unschuld beweisen, ohne dass es ein verlässliches
Verfahren dafür gibt. Dick Marty, der Sonderermittler
des Europarates, hat die Listen als »rechtsstaatlich
skandalös« kritisiert. Die Listung käme einer »zivilen
Todesstrafe« gleich. Das ist leider richtig, denn sie
führt zum Ausschluss aus dem Rechtsverkehr: Beispielsweise
sind Grundstücksgeschäfte mit gelisteten
Personen nicht mehr möglich; ein Widerruf der Anerkennung
als Flüchtling ist wahrscheinlich.
Gegen Terroristen und vermeintliche Terroristen wird
ein Sonderrecht geschaffen, das mit dem Recht für die
normalen Bürger nichts mehr zu tun hat. Dieses Sonderrecht
praktiziert oder akzeptiert Folter, oder es erwägt
diese zumindest, es verwertet jedenfalls Kenntnisse,
die erfoltert worden sind. Es trachtet nach Inhaftierung
ohne konkreten Schuldnachweis, also aufgrund
angenommener Gefährlichkeit. Es verkehrt die Unschuldsvermutung
in ihr Gegenteil. Es ist ein Feindrecht.
Und wer ist Feind? Das bestimmt die Definitionsmacht
der herrschenden Politik. Die Feindstrafrechtslehre
greift bei ihrer Definition bezeichnenderweise
zu mittelalterlichen Bildern: »Wer sich dauernd
wie der Satan aufführt, den kann man […] nicht als
Rechtsperson behandeln«, schreibt der Bonner Strafrechtler
Günther Jakobs 2004 in einem Vortrag über
»Staatliche Strafe«. Solchen Leuten wird also das
Recht, Rechte zu haben, abgesprochen.
Auf diese Weise wird vom normalen Strafrecht ein
Feindstrafrecht abgespalten, und das verbleibende normale
Strafrecht verwandelt sich in ein Gefahrenvorbeugungsrecht:
Je größer die Gefahr ist oder je größer
sie erscheint, umso einschneidender werden die Maß-
nahmen, die (auch gegen völlig Unverdächtige) ergriffen
werden, um so, angeblich, die Gefahr zu bannen
oder zu minimieren; das führt etwa zur staatlich angeordneten
Speicherung aller Telekommunikationsdaten
auf Vorrat, das führt zu immer umfassenderer Überwachung
und Kontrolle. In den längsten Phasen der
Menschheitsgeschichte sind Täter, die tatsächlich oder
vermeintlich die staatliche Rechtsordnung oder ihre
Repräsentanten angegriffen haben, als Feinde und damit
als rechtlos behandelt worden. Womöglich geht
nun die kurze Geschichte zu Ende, in denen Staaten
auch ihre Feinde dem Recht entsprechend behandelten,
und sich, auch deswegen, Rechtsstaaten nannten. Innere
Sicherheit wächst damit nicht. Die Garantien des Strafrechts
sind keine Garantien mehr, wenn sie gerade dann
nicht mehr gelten sollen, wenn es darauf ankommt.
Bismarck hat seinerzeit ein Attentat auf Kaiser Wilhelm
I. benutzt, um den Liberalen in Deutschland den
Garaus zu machen. Die Attentate der islamistischen
Fundamentalisten führen dazu, dass in der westlichen
Welt dem freiheitlichen Rechtsstaat und der Liberalität
der Garaus gemacht wird. Eine Welt, die vom Terror in
Angst und Schrecken versetzt wird und sich daraus
nicht befreit, ist jedoch ihrer selbst nicht mehr sicher.
Innere Sicherheit braucht die Sicherheit, dass die
Grundsätze, die sie verteidigen will, sich auch bei dieser
Verteidigung bewähren. Innere Sicherheit verlangt
innere Festigkeit und unerschütterliches Vertrauen in
die Grundrechte der Verfassung. Mit diesem Vertrauen
gilt es, kollektive Sicherheit und innere Freiheit auszutarieren.

Von Heribert Prantl
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